© fotolia.com/pathdoc

Übernimm endlich Verantwortung!

Natürlich ist es manchmal bequemer, die Schuld für einen Fehler oder eigenes Versagen anderen zuzuschieben. Doch wer das tut, macht sich zum hilflosen Opfer.

Die vielerorts verbreitete Meinung, die meisten Mitarbeiter wollten eigentlich keine Verantwortung übernehmen, kann ich nicht teilen. Im Gegenteil. Viele Menschen sehnen sich nach mehr Verantwortung im Job. Das ist gut so. Denn wer Verantwortung für sich, seine Aufgaben, ja sein ganzes Leben übernimmt, ist frei und handlungsfähig. Doch was häufig übersehen wird: die Medaille VERANTWORTUNG hat zwei Seiten: Freiraum (für eigene Entscheidungen) einerseits und Verpflichtung (für die Erfüllung von Aufgaben, Zielen etc.) andererseits. In dem Moment, wo sich jemand uneingeschränkt verantwortlich fühlt, schafft er die Grundlage für einen erfolgreichen Job und – ein erfolgreiches Leben.

Verantwortlich zu leben heißt zunächst mal, sich bewusst zu werden, was einem anvertraut ist – die eigene Gesundheit, Fähigkeiten, Talente, berufliche Aufgaben, Zielerreichung, die Verantwortung für Mitarbeiter, Beziehung zu anderen Menschen, Kommunikationsstil und vieles mehr. Das bedeutet aber auch: Verantwortung für die eigenen Erfolge und Misserfolge zugleich.

„Vor der eigenen Türe kehren“

Wer die Verantwortung anderen überlässt oder zuschiebt, bleibt ewig ein Statist. Kein Chef der Welt wird ihm gern verantwortungsvolle Aufgaben übertragen. Oft entlarvt man diese Spezies auch an ihrem negativen Sprachstil, wenn sie sich über Chefs, Kollegen, Kunden oder Gäste auslassen. Aber auch von manchem Vorgesetzten wünschen wir uns mehr Verantwortungsbewusstsein. Da ist von „blinden Würmern“ (Mitarbeiter) die Rede, Kunden sind „Nörgler“, Gäste werden als „ewige Querulanten“ bezeichnet, ja sogar „Söldner“ und „Partisanen“ sind schuld am miesen Zustand der Arbeitsergebnisse. Denn dieser Mensch denkt ständig darüber nach, was andere falsch gemacht haben, tun sollten, damit Aufgaben erledigt, Probleme gelöst werden können. Dabei wäre er besser beraten, endlich selbst Verantwortung zu übernehmen und zu prüfen, welchen Beitrag er selbst leisten kann und wie er seine Fähigkeiten und Talente zum Gelingen seiner Aufgaben einsetzen kann.

Ein Beispiel aus der Praxis

Wenn ich neue Beratungskunden besuche, versuche ich stets mit offenen Augen durch den Betrieb zu gehen, um Stallgeruch zu schnuppern. Mit etwas Glück gelingt mir sogar ein Blick in die Kaffeeküche. Wenn ich dort ein „Kraut & Rüben Chaos“ vorfinde, ist das ein Spiegelbild dafür, ob Selbstverantwortung und Teamgeist hier wirklich gelebt werden. Dort wo sich schmutzige Tassen und Teller im Spülbecken stapeln, leere Milchtüten herumliegen etc, ist nicht von gegenseitiger Rücksichtnahme und Verantwortungsgefühl auszugehen. Stattdessen wird hier der Begriff TEAM anders interpretiert: „Toll, ein anderer macht’s“. Wenn mir dann später die Unternehmensleitung auch noch den Eindruck von „Wir sind hier alle ein ganz tolles Team“ vorgaukeln will, weiß ich, was ich davon zu halten habe. Wenig Gemeinschaftsgefühl und am Ende der Gedanke: „Dafür bin ich zu wichtig. Das ist nicht mein Job“ dokumentiert im scheinbar Nebensächlichen das Verantwortungsdenken bei großen Aufgaben. Umso überraschter war ich von der Kaffeeküche eines ganz ungewöhnlichen Start Ups in München. Blitzsauber und aufgeräumt. Wie das? Dort hing ein bemerkenswerter Zettel am Pin Board:

„Vier Kollegen namens JEDER, JEMAND, IRGENDJEMAND und NIEMAND dachten darüber nach, wie Ordnung und Sauberkeit in der Kaffeeküche zu halten sei.

JEDER war sicher, dass sich JEMAND darum kümmern würde. IRGENDJEMAND hätte es auch tun können, aber NIEMAND tat es.

So wurde JEMAND wütend, weil es JEDER‘s Arbeit sei. Doch JEDER dachte, IRGENDJEMAND wird‘s schon machen, aber NIEMAND wusste, dass JEDER es nicht tun würde. Schließlich beschuldigte JEDER JEMAND, weil NIEMAND tat, was IRGENDJEMAND hätte tun können.“

Alle Ausreden, die ein Kollege oder Chef vorbringt, der sich ständig als Opfer fühlt, könnte ein erfolgreicher Kollege ja auch vorbringen. Aber er tut es nicht. Statt anzuklagen und sich in Schuldzuweisungen zu verlieren, zeigt er Verantwortungsbewusstsein und prüft stets, was er selbst tun kann, um eine schwierige Situation zum Guten zu wenden.

Treffender als Dostojewski kann man es kaum formulieren:

„Jeder ist für alles – vor allem verantwortlich!“.

Gabriele v. Bonin
Die Autorin ist Mitgründerin und Geschäftsführende Gesellschafterin der VON BONIN Personalberatung