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Statisch oder dynamisch? Welcher Typ sind Sie?

Menschen werden mit unterschiedlichen Genen, Temperamenten und Fähigkeiten geboren. Wer aber meint, dass seine persönlichen Eigenschaften in Stein gemeißelt sind, glaubt vermutlich an sein statisches Selbstbild. Er wird immer wieder das Bedürfnis verspüren, sich beweisen zu müssen. Aber bringt uns das wirklich weiter?

In Interviews mit Führungskräften begegne ich häufig Kandidaten, die nur dieses eine Ziel zu haben scheinen – sich selbst zu beweisen. Das scheint mit dem weitverbreiteten Missverständnis über Auswahl-Interviews zusammenzuhängen: In jeder Situation müssen diese Menschen ihre Intelligenz, ihre Persönlichkeit, ihren Charakter unter Beweis stellen. Jede Situation wird bewertet. „Werde ich Erfolg haben oder werde ich scheitern? Werde ich klug, kompetent oder dumm aussehen? Komme ich gut an oder schlecht? Werde ich mich hinterher als Sieger oder Verlierer fühlen?“

Das dynamische Selbstbild

Zum Glück existiert auch noch ein anderes Selbstbild. Es geht nicht einfach davon aus, dass wir alle Eigenschaften von Geburt mitbekommen haben. Vielmehr zeigt uns dieses dynamische Selbstbild, dass wir unsere Grundeigenschaften durch eigene Anstrengungen, Training weiterentwickeln können. Auch wenn wir uns in tausenderlei Hinsicht, in Talenten, Eignungen, Interessen oder Temperamenten noch so sehr unterscheiden, wir können uns durch Einsatz, Übung, Erfahrung ein Leben lang verändern und weiterentwickeln. Der beste Beweis dafür sind Leistungssportler. Diese Dynamik hilft uns gerade in unsicheren Zeiten des Wandels, in Krisen, Notfallsituationen, neue Lösungswege zu finden, auf die statische Persönlichkeiten nicht gekommen wären.

Auswahl per Rückspiegel oder Frontscheibe?

Die Erfahrung aus der Welt von gestern: Wir haben zwar gelernt, wie wir mathematische Gleichungen berechnen, was wir tun müssen, wenn es in der Küche brennt und verstehen, was ein Stop-Schild auf der Straße bedeutet. Diese tradierten Konzepte und Richtlinien geben uns Halt und Schutz in einer konstanten Welt. Jedoch in heutigen Zeiten des Wandels müssen wir uns eingestehen, dass wir mit den erlernten Techniken und unserer bisherigen Ausbildung nicht sehr weit kommen. Und für die Zukunft trifft das noch mehr zu. Schließlich bringt Wandel nicht selten Unvorhergesehenes, ungekannte Probleme mit sich, deren Lösung wir weder in der Schule oder der Universität gelernt haben. Die so wichtige geistige Flexibilität wurde uns selten beigebracht.

Was bedeutet das für die Auswahl von Führungskräften? Nichts wird in Zukunft so bleiben, wie es bisher war. Statt uns wie früher in einer Welt von Konstanten ausschließlich darauf zu konzentrieren, welcher Kandidat alle Anforderungen des vertrauten „alten“ Job Profils perfekt beherrscht, empfiehlt sich eher, den Fokus auf den Menschen zu richten, dem wir die größere geistige Flexibilität und Dynamik – also das Potenzial – zutrauen, die zukünftigen Probleme und Anforderungen der Position optimal in den Griff zu bekommen. Das führt automatisch dazu, sich mit den Anforderungen der Zukunft kritisch auseinander zu setzen und daraufhin ganz andere Fähigkeiten des Kandidaten (m/w/d) auszuleuchten:

  • Werden Lösungswege aus mehr als einem Blickwinkel betrachtet?
  • Ist Offenheit und Kommunikation gegenüber Menschen mit anderer Einstellung als der eigenen erkennbar?
  • Ist eine gesunde Portion Selbstreflexion vorhanden?
  • Wird in schwierigen Situationen auch mal der Rat anderer eingeholt?
  • Gibt es die Auseinandersetzung mit ihren Ideen und Konzepten oder Versuche zu verstehen, warum sie so argumentieren und worin der Meinungsunterschied besteht?
  • Wie hoch ist das Maß an Spontanität ausgeprägt? Der Mut, in unerwarteten Situationen flexibel zu handeln?
  • Wurden in Situationen des Wandels Perspektiven erkannt, Chancen genutzt, Ideen entwickelt – anstelle in Frustration zu versinken?
  • Bewegt sich die Person in einer geistigen Komfortzone und glaubt, sich nicht mehr entwickeln zu müssen? Oder ist sie neugierig auf neue Lernfelder?

Schnell wird deutlich: Menschen mit einem dynamischen Selbstbild sind davon überzeugt, dass sie ihr wahres Potenzial durch jahrelange Übung, Leidenschaft und Einsatz entwickeln können. Das weckt ihren Antrieb, ihre Neugier und Lernbegeisterung. Sie fragen sich: „Warum soll ich dauernd beweisen, wie großartig ich bin, wenn ich doch jeden Tag besser werden kann? Warum soll ich meine Schwächen verbergen, wenn ich sie überwinden kann? Warum soll ich mich nur mit Leuten umgeben, die mir ständig bestätigen, ein klasse Typ zu sein, statt mit solchen, die mich mit ihrem kritischen Blick anspornen und inspirieren, mich permanent weiterzuentwickeln? Warum nur ausgetretene Pfade gehen, statt solche, mit denen ich meine Grenzen überwinden kann?“

Diese Grundeinstellung ermöglicht es jeder Führungskraft, sich gerade dann weiterzuentwickeln, wenn sie – wie z.B. in Corona-Zeiten – vor großen Herausforderungen steht. Und genau diese Eigenschaft wird in Zukunft gebraucht.