Spiel mit offenen Karten

Die überdurchschnittlich hohe Leser-Resonanz auf INPUT Beiträge zum ONBOARDING neuer Mitarbeiter hat bestätigt, dass dazu hoher Informationsbedarf besteht – besonders in diesen stürmischen Zeiten der Pandemie. Daher ergänzen wir die nachfolgenden Informationen, die besonders die Integration neuer Führungskräfte in den Mittelpunkt stellen. 

Wer in Krisenzeiten denkt, jetzt brauche es keine neuen Führungskräfte, man habe andere Sorgen, erinnert mich an den Sparfuchs, der im Winter die Heizung abdreht, um Kosten zu sparen. Das Ergebnis: im Frühjahr ist er dann erfroren. Gerade in stürmischer See kommt es darauf an, dass neu platzierte Manager schnell produktiv werden können. Dazu brauchen sie in der Startphase klare Orientierungshilfe. Das gilt nicht nur für den Kandidaten von außen, sondern erst recht für die Beförderung in eigenen Reihen bei der Übernahme der neuen Führungsrolle. Der erste Eindruck ist entscheidend.

Der Neuzugang steht besonders am Anfang im Fokus von Mitarbeitern, Vorgesetzten und Kollegen. Erst recht, wenn sich krisenbedingte Orientierungslosigkeit und Aktionismus in der Chefetage breit gemacht haben. Nicht selten sehen sich neue Führungskräfte hier im „Schwitzkasten“ unterschiedlicher Erwartungen und Anforderungen. Fehlt ein systematisches IntegrationsCoaching als Starthilfe, wissen sie oft nicht, wie sie ihre eigenen Ideen schnell und wirkungsvoll einbringen und umsetzen können.

Nicht selten gleicht der Start beim neuen Arbeitgeber oder bei der internen Beförderung einem Sprung ins kalte Wasser, weil im Vorfeld nicht sauber kommuniziert wurde: Wo steht das Unternehmen aktuell in der Krise? Was genau sind die Erwartungen? Woran wird der Erfolg gemessen? Wo sind die Tretminen? Was ist der dringendste Handlungsbedarf? Wo lauern Risiken und Gefahren? Welche Chancen zur Optimierung gibt es? Je präziser die neue Führungskraft darauf vorbereitet wird, umso besser kann sie das eigene Vorgehen fokussieren und schnell die ganze Performance fürs Unternehmen erbringen.

Onboarding für Führungskräfte

Eine VON BONIN Umfrage zeigt, welche Erfolgsfaktoren Führungskräfte für ihren schnellen Einstieg innerhalb der ersten 100 Tage sehen:

  • Erfolgsfaktoren für einen schnellen Einstieg als Führungskraft
  • 92%
    Vor dem Start: Offene Karten, intensiver Informationsaustausch über Ziele, Handlungsbedarf, Fallstricke, „Fettnäpfchen“ etc.
  • 89%
    Eigene Situationsanalyse und Bewertung
  • 82%
    Regelmäßige Feedbackgespräche mit dem Vorgesetzten
  • 76%
    Das eigene Team zusammenschweißen, Akzeptanz gewinnen
  • 72%
    Persönlichen Prioritäten-Plan definieren
  • 70%
    Schlüsselpersonen kontaktieren, Netzwerk aufbauen
  • 66%
    Erwartungen des Umfelds kennenlernen, Fragen stellen,
    zuhören
  • 57%
    Ziele für das Team formulieren „Corona? Jetzt erst recht!“
  • 45%
    Schnelle Resultate, Quick Wins erzeugen
  • 18%
    Selbstpositionierung inszenieren
  • Quelle: VON BONIN + PARTNER Personalberatung

Das Prinzip „Wundertüte“

Mal ehrlich – haben Sie alle Knackpunkte bereits in Vorstellungsgesprächen offen angesprochen? Oder haben Sie die Katze vielleicht nicht aus dem Sack gelassen, um das Interesse des favorisierten Kandidaten am Job nicht zu gefährden? „Alles super!“ Nicht selten ist die neue Position „risikobehaftet“: Corona stellt die Arbeitsplatzsicherheit infrage. Ein Teammitglied hatte sich z.B. Chancen ausgerechnet, die Position selbst zu übernehmen. Der Verantwortungsbereich muss strategisch neu ausgerichtet werden. Die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse sind „im Keller“. Wegen hoher Personalkosten ist Kurzarbeit angesagt, müssen Mitarbeiter gekündigt werden. Das Top Management (oder die Eigentümerfamilie) ist sich nicht einig, wie das Unternehmen auf die täglich wechselnden Anforderungen, gesetzlichen Restriktionen und Finanzierungsengpässe ausgerichtet werden soll, um das wirtschaftliche Überleben zu sichern. Unproduktive Mitarbeiter müssen aus der Komfortzone „erweckt“ werden etc.

Hier empfiehlt sich, von Anfang an mit offenen Karten zu spielen. Fehlende Information und Vorbereitung erzeugen unnötigen Kräfteverschleiß. Die aktuelle Geschäftssituation und der gewünschte Handlungsbedarf sollten so früh und so konkret wie möglich kommuniziert werden. Handelt es sich z. B. um krisenbedingte Maßnahmen, die strategische Neuausrichtung, sind die Schritte in der Startphase andere, als wenn eine Konsolidierungsaufgabe zu managen ist. Corona erzwingt sofort notwendige Veränderungen, teils drastische Maßnahmen, Widerstände müssen aktiv bearbeitet, Strukturen, Prozesse neu definiert werden, um rasche Erfolge zu erzielen. In der Konsolidierungsphase geht es dagegen um Weiterentwicklung etablierter Kernprozesse, behutsames Straffen der Arbeitsabläufe, Qualitätssteigerung etc. Bei Neugründung, Aufbau oder Start-Up Situationen stehen wieder andere Prioritäten an: Strukturen, Standards aufsetzen, Dinge in Gang bringen, ein schlagkräftiges Team aufbauen und begeistern, schnell und pragmatisch handeln. Anders im Sanierungsfall: Hier stehen schmerzhafte Einschnitte an. Hohe Führungskompetenz ist gefragt – wenn Frustration, Demotivation, geringes Commitment des Teams aufzufangen sind. Es gilt gerade in Corona Zeiten, verunsicherten Leuten wieder Halt und Orientierung zu geben, sie emotional mitzunehmen auf dem neuen Weg zum Ziel. Change-Management pur! Das ist eine seltene Chance, mit dem/der Neuen zusammen dafür zu sorgen, dass der Betrieb gestärkt aus dem Tal der Finsternis hervorgeht.

Das Ziel des Integrations Coachings ist es, die Anlaufkurve neuer Führungskräfte zu verkürzen. Kontraproduktiv ist dagegen, den Neuzugang nach teuren Recruiting Investitionen zu lange im Dunkeln zu lassen über die obengenannten Punkte. Das Motto „Friss Vogel oder stirb“ ist hier nicht zielführend. Man tut Führungskräften damit nichts Gutes, wenn man sie ins offene Messer laufen lässt. Und auch dem Unternehmen nicht. Beide Parteien brauchen Klarheit darüber, welche hohen Anforderungen, Aufgabenbeschreibungen, Erwartungen („Marschbefehl“) und Erfolgsparameter für die neue Führungskraft gelten.

Dieser Informationsfluss beginnt schon vor dem ersten Tag, mit der Vorbereitung auf das neue Arbeitsumfeld, dem Eindenken in die neue Rolle, die Analyse und Bewertung der Ist-Situation. Es folgen Schilderungen über die aktuelle Geschäftssituation, die Führungskultur („Wie gehen wir miteinander um?“), welche Stakeholder in der Organisation sind relevant. So wird verhindert, dass der Neuzugang mit „angezogener Handbremse“ starten muss.

Die Erfahrung zeigt, dass sich neue Führungskräfte am Anfang vor allem eines wünschen – mit einem schnellen präzisen und ehrlichen Überblick (Lagebericht) wichtige und unwichtige Aufgaben trennen zu können.