Leadership fällt nicht vom Himmel
Fachkräfte werden in der Gastronomie immer früher zu Führungskräften. Doch ein guter Jungkoch oder Hotelkaufmann ist nicht automatisch ein guter Vorgesetzter. Die Begleitung durch einen Coach hilft, um der Personalverantwortung gerecht zu werden. first classsprach darüber mit dem Management-Coach und Personalberater Albrecht von Bonin, Autor des Buches „Mitarbeiter suchen, finden, fördern, binden“.
Herr von Bonin, immer häufiger hört man in der Gastronomie von überforderten jungen Vorgesetzten. Wie kommt es dazu?
Leadership fällt nicht vom Himmel, sie muss wachsen. Beförderungen werden jedoch oft aus der Not getroffen: Eine Führungskraft fällt aus, man braucht rasch Ersatz, schaut sich in den eigenen Reihen um und – entdeckt „Müller“. Er ist fachlich spitze, fleißig, engagiert, hochmotiviert. Was liegt näher, als ihn zum Chef zu machen? „Das bisschen Führung wird er schon hinkriegen“, so die Unternehmensleitung. Das war‘s dann. Arbeitgeber versäumen oft, den Kandidaten auf seine neue Rolle vorzubereiten, ihm in den Sattel zu helfen. Doch nicht nur der Unternehmensleitung, auch der Nachwuchs-Führungskraft selbst sollte bewusst sein, dass Führung in Zeiten des Fachkräftemangels der erfolgsentscheidende Faktor ist.
Wie sollte die Vorbereitung aussehen?
Vor der Beförderung durchläuft der Mitar-beiter eine objektive Potenzialanalyse. Im Fokus stehen dabei nicht fachliche Kompetenzen, sondern soziale Fähigkeiten. Trägt jemand Führungspotenzial in sich? Welche Trainingsmaßnahmen braucht er vor Übernahme der Führungsposition. Das Ergebnis kann aber auch sein, dass man ihm die Personal verantwortung lieber ersparen sollte. Falls er geeignet ist, sollten die neuen Jobinhalte, Kompetenzen und Erwartungen klar kommuniziert werden. Das ist Aufgabe des Vorgesetzten.
Was ist dann Ihr Beitrag als Coach in diesem Prozess?
Zusammen mit einem internen Paten, in enger Abstimmung mit HR-Abteilung oder Unternehmensleitung, helfe ich dem „Junior“ in regelmäßigen Feedback-Gesprächen bei Fragen, wie: Wie verschaffe ich mir Akzeptanz? Muss ich als Chef mein Verhalten gegenüber ehemaligen Kollegen/Freunden verändern? Wie entscheide ich bei Führungskonflikten? Wie vertrete ich ab sofort Arbeitgeberinteressen? Das sind die Basics.
Die Mitarbeiterschaft ist zunehmend heterogen. Müssen die Jung-Chefs darauf gezielt vorbereitet werden?
Ja, denn besonders durch den demografischen Wandel, den Fachkräftemangel und die Integration von Migranten in den Arbeitsprozess entstehen ganz neue Anforderungen an den Führungsnachwuchs: Früher waren die Chefs die Älteren, die Leitwölfe, die stets Wissens- und Erfahrungsvorsprung hatten und das Tempo vorgaben. Heute setzt man auf „Diversity“, also einen gesunden Mix aus männlichen, weiblichen, älteren und jüngeren Mitarbeitern oder aus Deutschen und Migranten. Der „Junior“ wird im Coaching darauf vorbereitet, wie Mitarbeiter zu führen sind, die so alt sind wie seine eigenen Eltern oder aus anderen Kulturen stammen. Hier vermittelt der Coach kommunikative und interkulturelle Kompetenzen. Wird der Junior-Chef dagegen mit all diesen Herausforderungen allein gelassen, droht häufig der Flop. Und der wird in der Regel teurer als ein Berater, als prophylaktisches Handeln.
Wie wirken sich überforderte Jung-Chefs auf das Unternehmen aus?
Wo „Müller“ einfach in den kalten Teich geworfen wird, gibt es meist zwei Varianten: Entweder er bleibt der gute Kumpel, arbeitet noch mehr als bisher und reibt sich im 16-Stunden-Tag bis zum Burnout auf. Seine Mitarbeiter freut es. Führung findet nicht statt. Es fehlt an jeglicher Orientierung. Oder „Müller“ ist überfordert, will sich das aber nicht eingestehen und mutiert zum Mistkerl, der es am Team mit mieser Laune, cholerischen Anfällen ablässt. Die Produktivität sinkt, innere Kündigungen, Fluktuation und Krankenstand nehmen drastisch zu. Welches Unternehmen kann sich das auf Dauer leisten?
Albrecht v. Bonin
Mitgründer und Gesellschafter der VON BONIN Personalberatung und Inhaber der avb Management Consulting