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Cocktail mit Tabasco

Brauchen Menschen in Veränderungsprozessen den Faktor Angst, um sich in Bewegung zu setzen? Studien berichten davon, dass die Pandemie Menschen teilweise in Schockstarre versetzt hat und in ihrem Handeln lähmt. Wie können wir diesen Knoten lösen?

Kürzlich berichtete mir der Personalchef eines Unternehmens, in dem durch die Pandemiekrise tiefgreifende Veränderungen anstehen: „Man glaubt es kaum, aber bei uns gibt es viele Leute, die es immer noch so gemütlich angehen lassen wie früher, dass man ihnen beim Gehen die Schuhe besohlen könnte“. Wie soll man darauf reagieren? „So richtig die Hölle heiß machen“, poltern da viele Chefs. Geht es generell nicht ohne Angst, wenn Menschen in Bewegung gesetzt werden sollen?

Fest steht: Wer etwas verändern will, sollte sich zunächst mit der Ausgangslage der Betroffenen befassen. Dabei treffe ich oft auf drei Varianten. Erstens: Die Mitarbeiter finden die Situation nicht unbedingt optimal, aber auch nicht so schlecht, als dass sie etwas (oder sich selbst) ändern müssten. Veränderung bringt sowieso nichts, so ist oft ihre Meinung. Sie gehören zur Fraktion der „Ewig-Gestrigen“. Zweitens: sie finden die Situation zwar schlecht, glauben aber nicht, dass sie etwas zur Optimierung beitragen könnten. Sie neigen eher dazu, sich in der Furche zu ducken, bis der Sturm vorüber ist. Drittens (und das sind die Schlimmsten): sie finden die Situation beklagenswert, sind aber felsenfest davon überzeugt, dass andere daran schuld sind und gefälligst handeln sollten. Wir wissen, solange eine dieser Varianten zutrifft, wird es keine Veränderung geben. Es fehlt an Einsicht und an der notwendigen Energie. Das Häufchen der „Aufrechten“, also derer die, kaum ist von Veränderung die Rede, gleich nach vorn stürmen, um etwas zu bewegen – diese Gruppe ist in der Regel verschwindend klein oder gar nicht vorhanden.

Appelle reichen nicht

Wie finden wir aus der Corona bedingten Schockstarre heraus? Wer Betroffene für Change Prozesse gewinnen will, muss sie die bestehende Situation zunächst wirklich dramatisch erleben lassen – und zwar als Problem, dessen Lösung keinen Aufschub duldet. Es braucht das Gefühl der Dringlichkeit. Manche Chefs (übrigens auch viele Politiker) gehen davon aus, dass sie es mit erwachsenen Menschen zu tun haben. Also appellieren sie an die Vernunft und versuchen sie mit sachlichen Argumenten zu überzeugen. Der weit größte Teil aber glaubt, dass der Durchschnittsmensch Veränderungen so lange aussitzt, bis es gar nicht mehr anders geht. Sie erinnern sich an den treffenden Satz von Franz Josef Strauß? „Es muss erst was passieren, damit etwas passiert“. Also machen sie Druck und arbeiten mit Schreckensszenarien – „wenn nicht, dann…“ Ihre klare Absicht ist, Angst zu verbreiten. Wieder andere setzen auf die Selbstverantwortung der Mitarbeiter. Ich denke, es gibt unterschiedliche Menschentypen. Zu jedem gibt es einen eigenen Zugang: den einen erreicht man eher mit rationalen Argumenten, der andere reagiert nur bei emotionaler Ansprache. Der eine setzt sich nur in Bewegung auf Druck und Angst, andere wiederum, wenn sie aus eigenem Antrieb selbst gestalten können. Die große Mehrheit allerdings, so meine Beobachtung, braucht einen Cocktail aus all diesen Zutaten. Ein gehöriger Schuss Angst sollte darin nicht fehlen. Sie lesen richtig.

Aber Vorsicht! Menschen müssen das Fürchten lernen. Es gibt zwei Arten von Angst: Verlust- und Versagensangst („Ich schaffe das nicht, ich verliere meinen Job, meine Anerkennung…“ etc) einerseits, die innere Anspannungsangst andererseits. Bei Verlust -und Versagensangst gehen Menschen in Deckung, tauchen weg und verdrängen die Situation. Lähmende Blockade und Mutlosigkeit sind das Ergebnis. Nichts geht mehr.

Der Schock zum Aufwachen

Ganz anders bei der inneren Anspannung: Hier herrscht höchste Aufmerksamkeit, wie bei wilden Tieren, die bei dem leisesten Anzeichen von Gefahr auf der Hut und sprungbereit sind. Ähnlich dem Sprinter oder Rennfahrer vor dem unmittelbar bevorstehenden Start. Angst schärft hier alle Sinne, erzeugt höchste Handlungsbereitschaft und Reaktionsvermögen. Genau diese zweite Form der Angst ist der unverzichtbare Tabasco im Führungs-Cocktail. Wenn Veränderungen gelingen sollen, müssen Ihre Mitarbeiter eine große Portion Energie und Tatkraft aufbringen – nicht den Zustand beklagen, sondern aktiv die Situation verändern. Das erfordert höchste Wachsamkeit und Spannkraft.

Seien wir ehrlich: Viele Menschen brauchen diesen ersten Schock, um überhaupt erst einmal aufzuwachen. Das genügt aber nicht. Im zweiten Schritt gilt es, diese Schockangst in innere Anspannung und Antrieb, ja vielleicht sogar Begeisterung für die notwendige Veränderung umzuwandeln. Das erreichen Sie nur, wenn Sie sich intensiv, ehrlich und direkt mit den Betroffenen auseinandersetzen, ihnen reinen Wein einschenken und wirklich an ihrer Mitgestaltung interessiert sind. Sie müssen erkennen, dass Sie im Veränderungsprozess in vorderster Linie an ihrer Seite mitkämpfen.

Das hilft Ihren Leuten besonders in Zeiten von COVID 19 ihre Chance zu erkennen: Was passiert, wenn endlich was passiert.