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Bleibt der Fachkräftemangel ein Problem?

Post-Corona-Recruiting

Unternehmen rechnen auch nach der Pandemie mit fehlenden Fachkräften. Laut einer Studie werden vor allem die Hospitality Industry, der Gesundheitssektor, die IT-Branche und das Bauwesen leiden. Die Betriebe stehen durch Corona vor neuen Herausforderungen. Welche Veränderungen müssen jetzt kommen?

Im Jahr 2020 stand die Arbeitswelt vor großen Herausforderungen. Im Recruiting war es weder für Unternehmen noch für Jobsuchende einfach. Während des ersten Lockdowns sanken die Recruiting-Zahlen deutlich. Es gab weniger Bewerbungen, Stellenausschreibungen, Job Interviews und Einstellungen. Viele Rekrutierungsprozesse wurden eingefroren, da die Unternehmen vorrangig damit beschäftigt waren, finanzielle Probleme zu lösen und neue Strategien zu entwickeln. Der zweite Lockdown mit verschärften Kontaktbeschränkungen sowie zunehmenden Unternehmensschließungen steigerte die Krise auf dem Arbeitsmarkt. Recruiting Maßnahmen lagen in der Hotellerie, Gastronomie, Eventbranche und im Einzelhandel quasi auf Eis.

Was bedeutet das für Unternehmen nach Corona?

Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung rechnen über 50% der befragten HR-Verantwortlichen damit, dass der Fachkräftemangel anhalten wird. Größere Unternehmen sind häufiger betroffen als kleine. Die Fragen, die sich aber beide stellen müssen, lauten: Wie können wir darauf reagieren? Denn: alle fischen im gleichen Teich nach Talenten. Was müssen wir künftig bei der Gewinnung von guten Leuten verändern?

Hier einige Tipps:

Rekrutierung rechtzeitig hochfahren

Durch den wachsenden Personalbedarf steigt automatisch der Kampf um die Talente. Wer hier frühzeitig die Angel auswirft, sichert sich die besten Kandidaten. Das sind in der Regel die, die schnell einen Mehrwert für das Unternehmen bringen. Wer sich sogar „Rekrutierung auf Halde“ leisten kann, ist eindeutig im Vorteil.

Krisenzeiten sind vor allem eines – unsicher. Von HR-Experten und Fachvorgesetzten wird jetzt ein hohes Maß an Flexibilität in der Gestaltung des gesamten Rekrutierungsprozesses, aber auch kluge Vorausschau gefordert. Dies gilt z. B. für die Terminplanung von Video Calls und persönlichen Vorstellungsgesprächen. Dort wo Unternehmen noch „auf Sicht fahren“, lohnt es sich umzudenken. Es gilt, die erforderliche Personalausstattung so zu steuern, dass die richtigen Leute rechtzeitig an Bord sind, um rechtzeitig zum Re-Start wieder eine steile Wachstumskurve hinzulegen. Dafür sollte das Recruiting frühzeitig die Weichen stellen.

Opportunitätskosten berücksichtigen

Oft bleiben bei der Kalkulation der Rekrutierungskosten die sogenannten Opportunitätskosten außen vor. Diese bewerten den Aufwand, der dadurch entsteht, dass eine Position längere Zeit unbesetzt bleibt. Zum Beispiel die Verzögerung von Projekten, die Umsetzung von Strategien oder Umsatzeinbußen durch Vakanzen im Vertrieb. Daher ist es je nach Position sinnvoller, vermeintlich günstigere Suchwege zu überspringen und gleich mit angemessenen Tools voranzugehen. Dies kann z. B. der Aufbau von sogenannten Talent Pools, aber auch der Einsatz von Personalberatern sein.

Mit Sicherheit und Nachhaltigkeit werben

In Krisenzeiten neigen Kandidaten dazu, am derzeitigen Arbeitsplatz zu klammern, weil sie nicht einschätzen können, wie sicher der neue Job ist bzw. wie der neue Arbeitgeber die Folgen der Pandemie überstehen wird. Hier lohnt es sich, bereits im Rekrutierungsprozess darzustellen, wie erfolgreich der Betrieb Corona trotz dramatischer Einschränkungen überstanden hat. Wie es um die finanzielle Stabilität bestellt ist. Wie mit Mitarbeitern während der Krise umgegangen wurde (Kurzarbeitergeldaufstockung, Home-Office-Angebote, Arbeitsplatzsicherheit etc.). Sicherheit vermittelt aber auch die offene Kommunikation zum medizinischen Schutz der Mitarbeiter durch konsequente Hygienestandards. Gerade für die jüngere Generation spielen Umwelt- und Klimaschutz eine wichtige Rolle. Dieses Bewusstsein möchten sie auch bei ihrem künftigen Arbeitgeber wiederfinden. Einen wichtigen Beitrag kann zum Beispiel ein komplett papierloses Bewerberverfahren leisten. Das spart Ressourcen, vermeidet Müll auf beiden Seiten. Zudem sollten Unternehmen ihre umweltbewusste Unternehmenskultur nicht nur gegenüber ihren Kunden, sondern auch bei Bewerbern kommunizieren. Dazu gehört zum Beispiel auch, bei Verbrauchsmaterialien und Büroausstattung auf Nachhaltigkeit zu achten u.v.m.

Mit Onboarding, Weiterbildung und Talent Management punkten

Wer als Arbeitgeber dafür sorgt, dass neue Mitarbeiter mit tatkräftiger Integrationsunterstützung im neuen Arbeitsumfeld rechnen können, sollte dies auch kommunizieren. Gleiches gilt für attraktive Angebote zur Weiterbildung. Hier wird das Signal gesetzt: Wir freuen uns, dass Du an Bord kommst. Wir gehen sorgsam miteinander um. Und: wir wollen, dass unsere Mitarbeiter weiterwachsen. Dafür kann auch die Kommunikation über das unternehmensinterne Talent Management ihren wertvollen Beitrag leisten. All das gehört zum Repertoire des zeitgemäßen Employer Branding.

Mobile Recruiting ermöglichen

Laut einer aktuellen Studie der Universität Bamberg befürchten mehr als 80 Prozent der Unternehmen, dass sie potenzielle Kandidaten verlieren, wenn sie kein Mobile Recruiting anbieten. Jeder dritte Kandidat präferiert heute bereits eine mobile Bewerbung gegenüber einer traditionellen. HR-Abteilungen sollten daher schon bei der Gestaltung von Stellenangeboten darauf achten, dass sie für die Darstellung auf mobilen Endgeräten optimiert sind. Außerdem sollten sie die Möglichkeit bieten, sich mit wenig Aufwand direkt vom Smartphone oder Tablet aus zu bewerben. Elegant lässt sich das zum Beispiel über eine App lösen, die über das Unternehmen informiert und den Kandidaten auf neue, passende Stellenanzeigen hinweist.

Virtuelle Einstellungsprozesse installieren

Bewerbungsprozeduren wie vor 30 Jahren sind inzwischen out. Digitale Rekrutierungsprozesse werden auch über die Zeiten von Corona hinaus zum Standard der professionellen Vorauswahl von Bewerbern gehören. Video-Bewerbergespräche sollten daher keine Herausforderung mehr darstellen. Das erspart beiden Seiten im Erstkontakt hohen Zeit- und Reiseaufwand und schafft optimale Voraussetzungen für das spätere persönliche Vorstellungsgespräch. Wichtig dabei: Exzellente Vorbereitung der Video Calls und Einsatz professioneller Technik. So gewinnen beide Seiten vor dem entscheidenden persönlichen Interview einen ersten Eindruck und können sich im späteren Face-to-Face-Meeting auf das Wesentliche konzentrieren.

Auswahlmethoden und Anforderungsprofile überdenken

Während der Krise ist die Zeit, den echten Personalbedarf danach, die Anforderungsprofile und Auswahlmethoden kritisch zu überprüfen: Wie viele Leute brauchen wir wirklich? Wie können Arbeitsprozesse und Organisationsstrukturen gestrafft werden? Welche Qualifikation erfordert der Job? Müssen wir (z. B. bei neuen Führungskräften) immer noch unseren Fokus allein auf die Fachkompetenz richten? Oder brauchen wir nicht viel mehr Empathie und Leadership Kompetenz? Wie messen wir diese Qualifikationen, um treffsichere Entscheidungen fällen zu können? Auch hier können Personalberater weiterhelfen.

Prozesse beschleunigen

Der rasche Wandel in der Wirtschaft und die starke Nachfrage nach Spitzenkräften zwingen Unternehmen zum Umdenken. Job Sucher haben häufig mehrere Angebote vorliegen. Sie können sich ihren neuen Arbeitgeber aussuchen. Ihr Geduldspegel ist daher niedriger als früher. Arbeitgeber, die Rekrutierungsprozesse nicht zügig gestalten, werden für High Performer schnell uninteressant. Reibungslose, digitale Kommunikation, unkomplizierte Bewerbungswege, Verfügbarkeit der Ansprechpartner, Verbindlichkeit und Transparenz im Entscheidungsprozess gewinnen daher besondere Bedeutung, um Talente gewinnen zu können.

Arbeitsmodelle überdenken

Dort wo Arbeitgeber immer noch „9 to 5“ Präsenz am Arbeitsplatz fordern und wenig Offenheit gegenüber modernen Arbeitszeitmodellen besteht, wird der Rekrutierungserfolg geringer ausfallen als dort, wo Home-Office, flexible Arbeitszeitmodelle, Job Sharing etc. angeboten werden. Andere Länder machen uns vor, wie man – bis hinauf in die Top Etagen – dem Wunsch nach Work-Life-Balance entgegenkommen kann, ohne dass die Produktivität darunter leidet. Hier ist Kreativität gefordert.

Fazit:

Dieser Beitrag berührt ohne Frage nur die Spitze des Eisbergs. Es ist offensichtlich, dass sich die Situation im Fach- und Führungskräfte-Segment weiter zuspitzt. Wichtig ist zu erkennen, dass dies nicht nur am verfügbaren Potential an Spitzenkräften liegt, sondern auch an einigen hausgemachten Problemen im Recruiting. Hier kann man durch Offenheit für Best-Practice-Learnings und Bereitschaft zur Veränderung vieles verbessern. Das Interesse an Optimierung und neuen Tools ist übrigens groß. So waren rund 80 Prozent der Befragten (Bertelsmann) an Innovationen konkret interessiert oder zeigten zumindest Offenheit für diese Neuerungen. Vermutlich liegt das an der Erkenntnis, dass der zunehmende „War for Talents“ neuartige und schnellere Rekrutierungssysteme erfordert. Dennoch – die Einführung von Neuerungen im HR-Bereich braucht in Deutschland immer noch sehr lange und berührt zu viele Kompetenzebenen. Hier wäre vielerorts eine stärkere Rückendeckung (Kompetenzen, Budgets) der Geschäftsführung wichtig, um das Recruiting und somit das Unternehmen für die diversen Herausforderungen der Zukunft (Engpässe, Digitalisierung) angemessen einzustellen.
Wie man es dreht und wendet: Am Ende fühlen wir uns an die alten Zeiten des „War for Talents“ zurückerinnert. Je früher sich Unternehmen darauf einstellen, umso besser werden sie nach Corona wieder durchstarten können.

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